Die »Sammlung Hofmann«
im Brahms-Institut an der Musikhochschule Lübeck


Als ich, Kurt Hofmann, 1953 das erste Mal eine Schallplattenaufnahme mit der Alt-Rhapsodie von Johannes Brahms hörte, war ich von dem Werk völlig überwältigt. Seit der Zeit beschäftigte mich die Musik dieses Komponisten. Vier Jahre später hörte ich in einem Konzert des NWDR-Orchesters die 1. Sinfonie von Brahms und las im Programmheft von dem „unglücklichen Verhältnis von Brahms zu seiner Vaterstadt“. Das wollte ich genauer wissen, und so begann ich, Material über Brahms zu sammeln.

Zunächst kaufte ich im Hamburger Bücherkabinett eine kleine Biographie über den Komponisten. Mit dem Erwerb eines gemeinsamen Albumblattes von Julius Stockhausen und Johannes Brahms sowie eines dabei liegenden Fotos des jungen Brahms aus dem Hamburger Atelier F. König war die Initialzündung für eine intensive Sammeltätigkeit gelegt, und der Aufbau der „Sammlung Hofmann“ begann. Dieses Konvolut war mir im Musikantiquariat des Hamburger Bücherkabinetts in Kommission zum Preise von DM 25,00 angeboten worden. Nachdem ich diesen Preis abgestottert hatte, konnte ich in dem Antiquariat Wiedebusch in Hamburg einen sehr seltenen Erstdruck, nämlich die Klavierstimme des Klavierkonzerts op. 15 von Brahms, erwerben. Diese drei Dokumente bildeten die Wurzeln meiner Sammelrichtungen. Einerseits versuchte ich alle nur erreichbaren Dokumente zu Brahms und seinem Freundes- und Bekanntenkreis zu bekommen, andererseits wurde mein bibliophiles Herz von den Erstdrucken und ihrer oft sehr schönen Titelgestaltung gefangen genommen, so dass ich auch auf diesem Gebiet versuchte, die Erstdruck-Sammlung so vollständig wie möglich zu bekommen und darüber hinaus alle Erstdrucke anderer Komponisten kaufte, deren ich habhaft werden konnte, was damals leicht möglich war, da die Bedeutung von Erstdrucken zu dieser Zeit noch wenig erkannt war und selbst Antiquare sie oft nicht identifizierten.

Durch meine Neugier und meine Begeisterung lernte ich einige Nachkommen von Brahms-Vertrauten kennen, die mir ihre Erinnerungen erzählten und schließlich sogar ihre Sammlungen vermachten. Die für mich bedeutendsten Personen waren die jüngste Tochter Annemari des Hamburger Dirigenten des Cäcilien-Vereins Julius Spengel; der letzte Schüler Theodor Kirchners, der Pianist und Dirigent Conrad Hannß, der mir sogar demonstrierte, wie Kirchner Klavier gespielt hat; und die Enkelin des Linksgeigers und Brahms-Vertrauten Richard Barth, Eva-Marie Vischer. Mit Annemari Spengel verband mich eine jahrzehntelange Freundschaft, sie vererbte mir den Nachlass ihres Vaters Julius Spengel. Die nähere Bekanntschaft mit Conrad Hannß zu erreichen, war gar nicht so einfach, denn er war sehr misstrauisch, und erst, als er die Ernsthaftigkeit meines Interesses erkannte, durfte ich jede Woche einmal zu ihm kommen, um von seinem reichen Wissensschatz zu partizipieren. Conrad Hannß war als Nachfolger Julius Spengels Leiter des Cäcilien-Vereins und besaß den Hamburger Nachlass von Theodor Kirchner, den ich nach seinem Tode erbte.

Als ich bei Eva-Marie Vischer das erste Mal vorsprach, um etwas über ihren Großvater zu erfahren, freute sie sich sehr über mein Interesse, denn ein namhafter Hamburger Musikwissenschaftler hatte nur abgewinkt, als sie ihm von dem unbearbeiteten Nachlass Richard Barths erzählte. Sie überließ mir zunächst den gesamten Nachlass ihres Großvaters zur Bearbeitung. Nachdem die „Erinnerungen an Johannes Brahms von Richard Barth“ erschienen waren, schenkte sie mir das gesamte Konvolut.

Ein jahrzehntelanger Mäzen wurde mir der österreichisch-ungarische Komponist Hans Rahner, den es nach dem Krieg nach Hamburg verschlagen hatte, und der einen Teil des Joachim-Nachlasses besaß, den er von einem Sohn Joachims bekommen hatte. So manche Zimelie schenkte er mir aus diesem Bestand, einzelnes kaufte ich. Viele Schätze konnte ich durch Tausch von Erstdrucken anderer Komponisten (etwa von Mozart, Beethoven oder Schubert) gegen besondere Zimelien im Musik-Antiquariat Hans Schneider, Tutzing, erwerben. Nicht zuletzt war kein Antiquariat vor mir sicher, und ich habe dort manchen herrlichen Fund getan.

Im Jahre 1990 ging die »Sammlung Hofmann« als Grundstock des Brahms-Instituts an der Musikhochschule Lübeck in den Besitz des Landes Schleswig-Holstein über. Da diese Sammlung nun ein Teil einer großen Institutssammlung ist, soll hier die Sammlung noch einmal für sich stehen.